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Channel: Kommentare zu: Mehr Style als Life: Supplements werden zu Frauenzeitschriften
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Von: Gabriele Bärtels

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Dass wir dringend anspruchsvolle, gesellschaftlich relevante, ehrliche und wirklich journalistische Frauenmagazine brauchen, denke ich schon lange. EMMA ist da keine Alternative, sondern nur der Nordpol, dem die anderen rund 80 Frauenmagazine am Südpol gegenüber stehen. In der Mitte, da wo sich die erwachsene, denkende, witzige, alltagstaugliche und wahlberechtigte Frau von heute tummelt, gähnt die größte Marktlücke aller Zeiten.
Ich habe ja mal für so gut wie alle großen Frauenmagazine geschrieben, bin dann davon abgekommen, weil ich mich selbst verleugnen musste, auch noch alle anderen Frauen mit, denen man Diäten und Klamotten und blöde Liebhabertipps verkaufen sollte, anstatt ihr wahres Leben zu spiegeln. Mich ärgerte auch dieses Kaffeekränzchenghetto, das Männer ausschließt, nicht ernst nimmt, sondern für Trottel erklärt, die in fünf oder zehn Typen aufgesplittert werden, wie in den sogenannten Psycho-Seiten.

Und weil ich nicht nur jammern wollte, spuckte ich dann 2004 in die Hände und gründete im Internet FRIDA (www.frida-magazin.de), mein selbstgebasteltes, intelligentes Frauenmagazin. Ich rannte mit diesem “Dummy” von Verlag zu Verlag, war bei Ringier, Gruner & Jahr, Axel Springer. Bekam von Vorständen reizende, aber abschlägige Kommentare. Niemand der Herren (Frauen hab ich dort nie gefunden) konnte begreifen, dass er an der größten Marktlücke der Welt vorbeigeschaut hat. Denn wer sind denn die Leser von heute? In der Belletristik zu 80 Prozent Frauen. Wer sind denn die Kaufentscheider? Zu ungefähr 90 Prozent wieder die Frauen.

Ich betrieb FRIDA rund 3,5 Jahre, mehr schlecht als recht, denn meine Webdesign-Kenntnisse sind begrenzt, ich konnte Autorinnen (und Autoren!) nur für gute Worte gewinnen, nie aber für Geld. In dieser Zeit hatte FRIDA rund 300,000 Besucher (nicht Pageviews, sondern Besucher) und bis heute kommen, wohl über Google, bis zu 500 Leute täglich auf die Site. Leserbriefe kamen übrigens bis zu 30 Prozent von Männern, die ebenso wie Frauen das Magazin begrüßten, denn nirgends in der Medienlandschaft haben sie mal was Wahres über Frauen gelesen oder über sich selbst. Obwohl an meinem Magazin vieles hinkt, zum Beispiel fehlte es an politischen und wirtschaftlichen Texten, gewann ich damit den Alternativen Medienpreis, wurde für den Goldenen Prometheus nominiert. 2007 stellte ich die Produktion dann ein, denn umsonst bedeutet halt über kurz oder lang Verlust an Qualität, man kann nicht dauernd sein eigenes Problem (Geldnot) an befreundete Autoren weiterreichen. Gespendet hatte so gut wie niemand etwas, auch wenn das Magazin bis heute gelobt wird.

Was den ZEIT-Titelbericht “Wir haben abgetrieben” angeht: Die Idee ist tatsächlich von mir. Ich bot sie 1999 der Marie-Claire an, suchte und fand auch sechs Männer, die mir ihre Abtreibungsgeschichten erzählten. Wochen, bevor der ZEIT-Artikel erschien, rief eine ZEIT-Magazin-Redakteurin (Name weiß ich leider nicht mehr) bei mir an. Sie habe die alte Marie-Claire vor sich liegen, ob ich ihr meine Männerkontakte von damals vermitteln könne. Sie selbst wisse nicht, wie sie an solche Männer kommen könne. Ich gab ihr zwar meine alten Kontakte nicht, riet ihr aber, wie man sowas macht und sagte ihr, dass Männer da so schwierig gar nicht wären. Als ich dann Wochen später diese Titelunterzeile in der ZEIT las (“Erstmals brechen Männer ihr Schweigen” oder so ähnlich) konnte ich nicht fassen, dass eine seriöse Zeitung nur für die Skandalmeldung derart lügt und bei allerbestem Wissen schlicht unterschlägt, dass die Männer ihr Schweigen schon vor zehn Jahren gebrochen haben, und zwar mir gegenüber.

Ich bin inzwischen dermaßen abgetörnt von diesen Medien, die man Journalismus nicht mehr nennen mag, dass ich dringend einen anderen Job suche. Weiß jemand einen??

Herzliche Grüße an alle, die es interessiert,
Gabriele Bärtels


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